Samstag, 13. Februar 2016

Zurück im Abstiegskampf-Alltag

Vor dem DFB-Pokal-Viertelfinale hieß es in der Kreiszeitung "Mal kurz raus aus dem Abstiegskampf-Alltag". Der 3:1-Sieg gegen Bayer Leverkusen war dann auch wie ein kleiner Kurzurlaub unter der Woche und Balsam für die Seele der Mannschaft, der Verantwortlichen und auch der Fans nach der Klatsche gegen Mönchengladbach.

Doch der Alltag kehrt heute mit voller Wucht zurück. Gegner im Weserstadion ist Tabellennachbar 1899 Hoffenheim, der vor zwei Tagen mit Julian Nagelsmann bereits seinen dritten Trainer in dieser Saison installiert hat. Grund dafür waren Huub Stevens' gesundheitliche Probleme und so darf sich Nagelsmann bereits früher als erwartet im Profifußball unter Beweis stellen.

Wer ist der Neue?

Der junge Mann, der gleichzeitig aber kein junger Trainer mehr sei (so Hoffenheims Sportdirektor Alexander Rosen), gilt als außergwöhnliches Trainertalent in der Tradition eines Ralf Rangnick. Der aufschlussreiche Spiegel-Artikel von Danial Montazeri "Ist jung, kann Chaos" zeigt auf, dass es Nagelsmann in seiner bisherigen Karriere als Cheftrainer der Hoffenheimer U19 gelang, die Mannschaft ebenjenen blitzartigen Umschaltfußball spielen zu lassen, den Rangnick in die Bundesliga trug. Auch das konsequente Gegenpressing, für das Trainer wie Klopp oder Roger Schmidt stehen, habe er der Hoffenheimer U19 eingeimpft, wie es im Spiegel-Artikel heißt:

"Beeindruckend ist auch, wie intensiv die Mannschaft nach Ballverlusten auf Abwehr umschaltet. Gerade in diesen Bereichen sind viele Jugendspieler oft nachlässig. Das zeugt von Nagelsmanns hoher Überzeugungskraft." 

Nagelsmann setze bei eigenen Angriffen vor allem auf Überladungen, also dass viele Spieler auf engem Raum versammelt sind, um schnell nach vorn kombinieren zu können und gleichzeitig schnell ins Gegenpressing kommen zu können, falls der Ball verloren wird.  Die Frage für Werder ist nun: Wie viel von seiner Spielphilosophie kann Nagelsmann nach zwei Tagen Training schon gegen Werder auf den Platz bringen?

Viktor knows

Viktor Skripnik sagte auf der Pressekonferenz vor dem Hoffenheimspiel, dass er ungefähr wisse, wie Julian Nagelsmann spielen lässt. Ein Grinsen umspielte dabei seine Mundwinkel. Dennoch sollte es meiner Meinung nach nicht Werders vorderstes Anliegen sein, sich in einem Heimspiel gegen den 17. der Tabelle komplett auf den Gegner einzustellen. Aber eine gewisse Anpassung findet natürlich statt bzw. werden den Spielern bestimmte Punkte mit auf den Weg gegeben, auf die sie bei diesem Gegner ganz besonders achten sollten.

Gegen Hoffenheim im 4-2-2-1-1

Gegen Hoffenheim ist eine Rückkehr zur Raute, die zwar in der Winterpause eingeübt wurde, seitdem aber nie von Anfang an zum Einsatz kam, aus meiner Sicht nicht zu erwarten. Um sich Hoffenheimer Überladung zu erwehren ist ein eher breites Spielsystem das Mittel der Wahl, wie wir es bereits im 4-4-2 oder auch 4-1-4-1 in dieser Rückrunde praktiziert haben. Um aber gleichzeitig genug eigenen Druck entwickeln zu können, der in einem Heimspiel gegen den Vorletzten zweifellos dringend benötigt wird, würde ich Werder in einem 4-2-2-1-1 auflaufen lassen.

Entscheidend in dieser Formation ist die Besetzung der Doppelsechs. Meiner Meinung nach hat das Spiel gegen Mönchengladbach gezeigt, dass das Duo Junuzovic/Fritz es nicht versteht, Werder defensive Stabilität zu verleihen. Jannik Vestergaard hingegen überzeugte gegen Leverkusen als kopfball- und zweikampfstarker Sechser und wäre in Abwesenheit von Bargfrede und Yatabaré die sinnvollste Lösung neben Clemens Fritz auf der Doppelsechs. Die Viererkette würde dementsprechend wieder genauso auflaufen wie gegen Leverkusen (S. Garcia, Djilobodji, Galvez, Gebre Selassie).

Auf den Flügeln hat sich Levin Öztunali in der Rückrunde fast unverzichtbar gemacht. Seine Schnelligkeit und Robustheit auf den Außen ermöglichen es Werder immer wieder, über rechts durchzubrechen und gefährliche Situationen heraufzubeschwören. Dass Öztunali auch Fortschritte in Sachen Übersicht und Effektivität macht, hilft der Mannschaft und macht ihn immer wichtiger. Auf der linken Seite würde ich auf Florian Grillitsch setzen. Auch er ist in starker Verfassung und bringt vor allem dringend benötigte Spielintelligenz mit ins Team. Gerade auf der Doppelsechs fehlt jemand, der mal einen überraschenden, präzisen Pass spielt oder der den Doppelpass sucht. Grillitsch brint diese Elemente ins Bremer Spiel, auch wenn er zentral hinter den Spitzen vielleicht noch etwas passender eingesetzt wäre.


Die Position der hängenden Spitze werden sich jedoch Anthony Ujah und Claudio Pizarro teilen. Ujahs Kopfballstärke, seine Laufleistung im Pressing und seine Schnelligkeit machen ihn zum idealen Sturmpartner für Claudio Pizarro, der sich auf den Torabschluss und das Verteilen von Bällen konzentrieren kann. Die vorderste Position im Sturm werden sich die beiden Torjäger ebenso teilen.

Vorerst kein Platz wäre in meiner Aufstellung für Zlatko Junuzovic. Dies hat in erster Linie taktische Gründe, da das aufgezeigte 4-2-2-1-1 keine Achterposition beinhaltet, auf der ich Junuzovic am stärksten sehe. Leider sind auch Junos Standards derzeit nicht so stark, dass man ihn allein deswegen einbauen müsste.

Wichtiger als Formation und Personal wird gegen Hoffenheim aber - Vorsicht Phrase! - die Einstellung Werders sein. Werder hat die Chance acht Punkte zwischen sich und Hoffenheim (und wohl auch zwischen sich und Hannover, die gegen den BVB spielen) zu bringen. Andererseits würde man mit einer Niederlage den direkten Abstiegsplätzen wieder gefährlich nah kommen. Eine kontrollierte Offensive dürfte gegen Hoffenheim der erfolgversprechendste Ansatz sein. Bei fortschreitender Spieldauer wird Hoffenheim das Risiko erhöhen müssen, um drei Punkte einzufahren. Genau das könnte Werder in die Karten spielen. Forza SVW!