Montag, 18. August 2014

Sensationell

"Die kleine Weiterentwicklung hat stattgefunden: Wir sind weitergekommen. Wir haben die Sensation geschafft." (Robin Dutt)

Diese Worte auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Illertissen sprach der Werder-Trainer mit einem Lächeln der Erleichterung aus. Und doch lag in diesem Scherz eine Menge Wahrheit. Denn Werder war dem vierten Aus in der ersten Runde des DFB-Pokals hintereinander kurz zuvor nur um Haaresbreite entronnen. Santiago Garcias Querschläger in der 89. Minute, gefolgt von einer Meinungsverschiedenheit zwischen Raphael Wolf und Assani Lukimya, wer sich denn bitte dem Ball widmen möge, hätte beinahe das 2-1 für Illertissen durch Marc Hämmerle und damit das fast sichere Ausscheiden bedeutet. Es kam anders und so kann Werder erstmals seit 2010 wieder mit Spannung die Auslosung zur zweiten Runde des Pokals verfolgen.

Vor dem Spiel

In meinem Blog-Eintrag vom letzten Donnerstag hatte ich auf eine Werder-Aufstellung mit Raute und dem Sturm-Duo Petersen/Elia getippt. Doch Robin Dutt überraschte mit einer Formation, die völlig auf einen gelernten Mittelstürmer verzichtete und brachte ganz vorne neben Eljero Elia Neuzugang Izet Hajrovic. Vermutlich versprach Dutt sich von dieser Maßnahme, dass man dem Viertligisten mit zwei schnellen und dribbelstarken Stürmern (unterstützt durch Fin Bartels in der rechten Position der Mittelfeldraute) eher beikommen könnte als mit dem eher statischen Nils Petersen. Ansonsten bot die Werder-Aufstellung keine Überraschungen.

Das Spiel

Ich selbst war vor dem Spiel schon aufgeregt und kann mir kaum vorstellen, wie sehr die Versagensänsgte an den Werder-Spielern genagt haben. Buchstäblich jeder Zeitungs-/Internet-/TV-Bericht im Vorfeld des Spiels (inkl. meines eigenen Blog-Beitrags) hatte als Aufhänger Werders katastrophale Pokal-Bilanz der letzten drei Jahre. Doch dann gab es bereits in der dritten Spielminute eine riesengroße Kanne Beruhigungstee: Nach einem Freistoß von Hajrovic kommt Garcia nicht mehr ganz mit dem Kopf an den Ball, kann seinen Gegenspieler aber dermaßen irritieren, dass der den Ball an die Hand bekommt. Ein klarer Elfer, den Hajrovic quasi als Einstandsgeschenk selbst sicher verwandeln darf. Danach hatte Werder das Spiel einigermaßen im Griff, ohne selbst besonders gefährlich zu werden.

Bereits fünf bis zehn Minuten vor dem Ausgleich durch Nebel merkte man aber, dass Illertissen den Rückstand gut verdaut hatte. Werder schenkte den Ball immer wieder leichtfertig her, im Fall des Ausgleichs durch ein Foulspiel in Strafraumnähe durch Bartels. Bartels gelang auf der halbrechten Position im Mittelfed leider kaum etwas, war aber immerhin an der besten Kombination Werders in der ersten Halbzeit beteilgt, die durch Cedric Makiadi (der eigentlich torgefährlicher werden möchte) kläglich vergeben wurde.

Bartels war dann auch derjenige, der in der Halbzeitpause weichen musste, damit Dutt in Form von Davie Selke mehr körperliche Präsenz im Sturm bringen konnte. Zlatko Junuzovic musste dafür von der 10 auf Bartels Position zurückweichen, Hajrovic übernahm die Rolle hinter den Spitzen. Werders Spiel wurde trotz dieser nachvollziehbaren Maßnahmen aber eher schlechter als besser. Vor allem die Unkonzentriertheiten in Werder Passspiel und die Art und Weise, wie leicht sich beispielsweise Elia von den Illertisser Abwehrspielern vom Ball trennen ließ, machten das Spiel schwer erträglich. Auch Marnon Busch, der den schwachen Makiadi ab der 61. Minute ersetzte, änderte nicht viel daran, gefiel aber ein paar Mal durch energische Vorstöße auf der für ihn ungewohnten Mittelfeldposition. Nach der überstandenen 100%-Chance für Illertissen in der 89. Minute ging es also in die Verlängerung.

Dass Werders Tore zum 2-1 und 3-1 jeweils nach Standardsituationen fielen (jeweils getreten von Junuzovic) passt ins Bild eines an diesem Tag nicht besonders spielfreudigen SV Werders. Erst konnte Lukimya völlig feistehend einköpfen, danach lenkte Selke einen Schuss von Felix Kroos technisch anspruchsvoll mit der Hacke ins Tor ab. Zwischen beiden Toren hatte aber auch der FV Illertissen noch eine Chance und kam nach dem 3-1 postwendend wieder zurück ins Spiel, nachdem Clemens Fritz seinem Gegenspieler Hämmerle viel zu viel Platz zum Torschuss gelassen hatte. Große Angst kam danach aber nicht mehr auf und so steht Werder endlich mal wieder in der nächsten Pokalrunde. Ganz egal, wie.

Mit Hängen und Würgen weiter

Auch nach dem Auftakt nach Maß fand Werder leider nie zu einem souveränen Spiel gegen wirklich gut organisierte, kamp- und lauftstarke Illertisser. Ich kann die Aussagen der Spieler und Verantwortlichen schon nachvollziehen, dass die Psychologie in diesem Spiel eine ganz besondere Rolle gespielt hat und deshalb sollte man noch längst nicht den Stab über diese Mannschaft brechen. Verbessern muss sich bis zum Start gegen Hertha aber noch einiges.

So steht weiter die Frage im Raum, ob Junuzovic wirklich als Spielmacher Bundesligaformat besitzt. Dass Dutt ihn bereits nach 45 Minuten von dieser Position wegbeordert ist sicherlich kein Vertrauensbeweis. Ich finde zwar, dass Junuzovic wichtig für unser Spiel ist, jedoch eben dort, wo er seine Stärken am besten einsetzen kann. Kreativität gehört nicht unbedingt dazu. Auch für Hajrovic dürfte dies nicht die Idealposition sein und so hoffe ich, dass Dutt es doch noch mit Ludovic Obraniak oder vielleicht sogar mal im Laufe eines Spiels mit Levent Aycicek hinter den Spitzen probiert.

Donnerstag vermutete ich schon, dass Nils Petersen in Werders Stürmerhierarchie nach hinten rutschen könnte. Mit einer derartig zeitigen Fingerzeig wie am Sonntag haben jedoch wohl die wenigsten gerechnet. Keine Spielminute für Petersen in einem Spiel, in dem Werder unter massivem Druck stand, dafür Einsatzzeit und ein Tor für Werders Shooting-Star Davie Selke. Ich könnte mir vorstellen, dass Werder über Anfragen für Petersen nicht unglücklich wäre, wobei ich einen Wechsel - vor allem aus menschlichen Gründen - mit gemischten Gefühlen sehen würde.

Das Werder-Barometer

Zur Erklärung: Nach jedem Pflichtspiel ordne ich meine eigene Werder-Stimmungslage auf einer Skala von 1 bis 10 ein. Das Spiel von gestern war zwar spielerisch ernüchternd, jedoch müssen mildernde Umstände aus dem Bereich der Psychologie angeführt werden. Wir sind weiter und mehr zählt in der ersten Runde in diesem Jahr nun wirklich nicht. Außerdem fehlen Werder noch einige wichtige Stammspieler, die hoffentlich bald wieder an Bord sind. Positiv stimmen mich zudem die Abgänge von Mehmet Ekici und Joseph Akpala, die die Wahrscheinlichkeit für eine Neuverpflichtung in der Offensive noch steigen lassen dürften. Beiden sei an dieser Stelle nur das Beste für die Zukunft gewünscht. Mein Werder-Barometer ist also noch im leicht positiven Berich: 6/10.

Fragestunde

  • Hat sich das Thema Junuzovic als Rauten-Zehner schon nach 45 Minuten für Werder erledigt?
  • Welche Rolle spielt Nils Petersen noch in Robin Dutts Plänen? Hat Davie Selke schon die Nase vorn in diesem Duell?
  • Konnte Alex Galvez als Sechser überzeugen? Wie nah dran an der ersten Elf ist Felix Kroos?




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