Donnerstag, 16. November 2017

The Kohfeldt Chronicles, Part I

Mit Florian Kohfeldt übernimmt zum dritten Mal hintereinander der U23-Trainer Werders Profimannschaft. Unabhängig von der Person Florian Kohfeldt schlägt Werders Geschäftsführer Sport Frank Baumann für diese Entscheidung harsche Kritik entgegen: Sind Kohfeldts Vorgänger nicht auch beide gescheitert? Warum sollte es unter dem dritten Bundesliganeuling aus dem eigenen Stall nun besser werden? Und vor allem: Hat die berühmt-berüchtigte Werder-Familie es völlig verlernt, renommierte externe Trainer für einen Job bei Werder Bremen zu begeistern und zu verpflichten? Will man etwa ewig im eigenen Saft schmoren?

Dass die Entscheidung für Kohfeldt kritisiert werden würde, war Frank Baumann offensichtlich klar. Warum sonst hätte er sich nach der Ernennung Kohfeldts zum Cheftrainer derart offen darüber äußern sollen, dass man alle Optionen geprüft habe, "auch in der Kategorie Thomas Tuchel"? Auf diese Weise wollte Baumann wohl denjenigen den Wind aus den Segeln nehmen, die ihm vorwarfen, nicht wenigstens bei den Schwergewichten der Trainerbranche angefragt zu haben. Dass Frank Baumann in diesem Zusammenhang von "besseren Trainern" als Florian Kohfeldt sprach, ist vielleicht kommunikativ unglücklich, letztlich die Aufregung aber nicht wert. Die Begründung: "Die Tuchels und Favres haben wir nicht bekommen, die Labbadias und Schuberts wollen wir nicht und mit Florian Kohfeldt haben wir ein Riesentalent im eigenen Stall" finde ich noch immer einleuchtend. Bedauerlich - aber nachvollziehbar - ist vielmehr, dass Werder nicht mehr genügend Strahlkraft besitzt, um beispielsweise den Trainer des Schweizer Tabellenführers an die Weser zu locken.

Ob Florian Kohfeldt ein guter Bundesligatrainer wird, ist jetzt natürlich noch nicht abzuschätzen. Die Voraussetzungen dafür hat er: Als Jahrgangsbester der DFB-Ausbildung zum Fußball-Lehrer 2015 war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis er auf dem Cheftrainersessel bei Werder Platz nimmt. Doch diese "Frage der Zeit" könnte am Ende allesentscheidend sein. Hätte es ihm nicht gut getan, noch mehr Erfahrung in der U23 zu sammeln und in der dritten Liga seine Trainerhandschrift zu schärfen? Gerade einmal ein Jahr konnte er sich dort beweisen und tat dies mit dem Klassenerhalt im Frühjahr 2017 mit Bravour. Just vor seiner Beförderung zum Profitrainer durchlebte seine U23 allerdings eine ausgewachsene Krise von zehn sieglosen Spielen hintereinander, darunter eine 1:7-Klatsche in Paderborn. In dieser Situation die richtigen Mittel und Wege zu finden, um Werders U23 wieder auf Kurs zu bringen, wäre für einen jungen Trainer wie Kohfeldt wohl eine unbezahlbare Erfahrung gewesen. Gerade in einer U23, die nicht den gleichen Erfolgsdruck hat wie die anderen Vereine in der dritten Liga, wäre dies möglich gewesen.

Nun ist die Entscheidung aber gefallen und Florian Kohfeldt stellt sich seiner neuen Aufgabe mit einer öffentlichen Selbstdarstellung, die souveräner wohl kaum sein könnte. Er macht sich nichts vor: Die öffentliche Skepsis am dritten U23-Trainer auf dem Chefposten ist ein Fakt und nur Erfolge auf dem Platz in Form von Punkten können die Skepsis lindern. ("Am Ende müssen wir uns alle an Ergebnissen messen lassen, egal wer hier sitzt. Wer drei-, vier- oder fünfmal hintereinander verliert, der hat keine Argumente.") Den Weg zum Erfolg möchte der neue Trainer anders beschreiten als noch sein Vorgänger. Alexander Nouris Fokussierung auf die Defensive unter Vernachlässigung jeglichen Ballbesitz- und Angriffsspiels brachte nicht nur keinen Erfolg, sondern erzürnte die Fans und schien auch dem Team selbst zu widerstreben. Kohfeldts Debüt gegen Frankfurt war - trotz des mehr als bitteren Ausgangs - deshalb ein Hoffnungsschimmer auf eine Rückkehr des offensiven und hoffentlich erfogreichen Fußballs an die Weser.

Entscheidend wird in den kommenden Wochen sein, dass Frank Baumann aus den Erfahrungen lernt, die er in der Zusammenarbeit mit Viktor Skripnik und Alexander Nouri gesammelt hat. Wie er seinen Chefrtrainern stets den Rücken gestärkt hat, war sicherlich vorbildlich und zahlte sich in Nouris unwahrscheinlicher Siegesserie in der vergangenen Rückrunde glücklicherweise aus. Doch dieser Segen wurde wohl zum Fluch, denn mit der Siegesserie im Rücken hatte Nouri plötzlich eine  Machtposition gegenüber Werders Verantwortlichen (die "nach Jahren voller Frust" so sehr nach Erfolg lechzen, dass sie sich einem erfolgreichen Trainer nur allzu gern mit Haut und Haaren ausliefern würden), die einem derart unerfahrenen Trainer nicht unbedingt gut tut. Die auf Betreiben Nouris erfolgten Trennungen von den im Verein hochgeschätzten Wiedwald, Pizarro und Bruns schienen das Verhältnis zwischen Trainer und Team nachhaltig beschädigt zu haben. Die Frage ist: Hätte Baumann hier nicht klarer Position beziehen müssen? Hätte er sich den Wünschen eines zwar kurzzeitig erfolgreichen, aber noch längst nicht etablierten Trainers derart beugen dürfen? Brauchen die jungen Trainer, die Werder immer wieder in Amt und Würden bringt, nicht viel mehr Führung?

Genau an dieser Stelle setzen wohl Werders Gedankenspiele rund um einen so genannten "Technischen Direktor" an. Der Technsche Direktor bei Werder soll kein Über-Trainer , sondern eine Konstante und ein Ansprechpartner für alle Trainer im Verein sein. Angesprochen darauf, ob Trainer so etwas überhaupt möchten, antwortete Thomas Schaaf, der Top-Kandidat auf diese neue Position bei Werder: "Führungskräfte in der Wirtschaft vertrauen doch auch Mentoren, um sich weiterzuentwickeln. Das ist ganz normal." Ganz ähnlich äußerte sich interessanterweise auch Werders neuer U23-Coach, Oliver Zapel, im vergangenen September: "Generell denke ich, dass jedem Trainer eine Art Mentor, jemand, der einen regelmäßig reflektiert und kritisch berät, gut zu Gesichte stehen würde." Denn die Idee, Trainer im Verein selbst zu entwickeln (also der vielfach belächelte "Werder-Weg"), ist weiterhin gut. Doch sie scheiterte zuletzt immer daran, dass die Trainer auf der Bundesligaebene überfordert wirkten und ihrer Linie nicht treu blieben. Gerade hier einen Mentor und "Sparringspartner" im Verein zu installieren, könnte eine entscheidende Verbesserung darstellen und aus einem Trainertalent wie Florian Kohfeldt einen gestandenen Bundesligatrainer machen, den wir seit Thomas Schaaf nicht mehr hatten.

Darüber hinaus sollte sich Frank Baumann auch die Zusammensetzung des Trainerteams noch einmal genau anschauen. Tim Borowski bringt den Blick eines erfahrenen Bundesliga- und Nationalspielers mit und Thomas Horsch war schon in der dritten Liga Kohfeldts Vertrauter. Was noch fehlt, ist die Erfahrung als Co-Trainer auf Bundesliganiveau. Wenn selbst Bayern München Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um den erfahrenen Co-Trainer von Fortuna Düsseldorf, Peter Hermann, abzuwerben, sollte diese Position keinesfalls unterschätzt werden. Was macht eigentlich Michael Henke gerade..?

Damit sich die Hoffnung realisiert, mit Florian Kohfeldt eine dauerhaft erfolgreiche Lösung für die Trainerposition gefunden zu haben, sollte er am Sonntag mit dem Punkten beginnen. Die richtigen Rahmenbedingungen (Technischer Direktor, Trainerteam, kommunikative Rückendeckung) muss allerdings die Vereinsführung schaffen. Sollte sie dies versäumen, wäre auch der "Werder-Weg" bedauerlicherweise endgültig gescheitert.

Donnerstag, 24. November 2016

Jungs, hier kommt der Masterplan!

Leider nicht allzu häufig, aber ab und zu überkommt sie mich doch: Die Lust, über Werder zu bloggen. Und das jetzt - nach vier Bundesliganiederlagen in Folge. Das Nordderby lässt einen jahrelangen Werder-Fan zwar nur selten kalt, aber ich glaube, es hat einen anderen Grund, warum ich endlich mal wieder in die Tasten haue.

Dieser Grund liegt beim Werder-Team. Denn erstmals seit Saisonbeginn steht am Samstag wohl die komplette Mannschaft zur Verfügung. Klar, zwei Ausfälle gibt es mit Caldirola und Eilers noch immer, aber diese sind wohl nicht als unanfechtbare Stammspieler anzusehen. Und bei Salif Sané und Jaroslaw Drobny käme ein Einsatz vielleicht etwas früh, aber die Hoffnung ist nicht unbegründet, dass beide gegen den HSV auf dem Platz stehen könnten. Und so kann Alexander Nouri gegen den HSV personell fast aus dem Vollen schöpfen. Nun kann er zeigen, welche Idee er mit diesem Kader verfolgt und wem er das Vertrauen schenkt. Der eine oder andere Spieler kann zwar nach langer Ausfallzeit noch nicht bei voller Fitness sein, aber dies war schon am vergangenen Wochenende kein Hindernis, Max Kruse und Claudio Pizarro in die Startelf zu stellen.

Stabil in den Winter

Mit dem HSV-Spiel sind es noch fünf Spiele bis zur Winterpause und 15 Punkte sind noch zu holen. Die ersten beiden Spiele gegen Hamburg und Ingolstadt werden tabellarisch und emotional von besonders großer Bedeutung sein und zwei Niederlagen würden wohl eine Weltuntergangsstimmung in Bremen heraufbeschwören wie wir sie zuletzt nach der Heimniederlage gegen Augsburg in der Rückrunde der letzten Saison oder dem Gladbachspiel in dieser Saison hatten.

Mein Vorschlag für einen Plan, wie man diese nun anstehenden fünf Spiele angehen sollte, lässt sich auf ein Wort reduzieren: Stabilität. Schluss mit personellen Experimenten und vor allem mit wechselnden Taktiken. Wir sollten uns jetzt bis Weihnachten auf eine funktionierende Grundformation festlegen und jeden Spieler genau dort einsetzen, wo er seine Stärken am besten in die Mannschaft einbringen kann. Als Formation kommt dabei aus meiner Sicht nur das klassische 4-2-3-1 (ggf. abgewandelt zu dem gegen Frankfurt praktizierten 4-4-2) in Frage, in dem wir unsere stärksten Spieler allesamt unterbringen können. Weitere taktische Versuche bitte erst wieder ab dem nächsten Jahr, wenn man dafür zuvor in der Winterpause die Grundlagen schaffen konnte.

Konkurrenzkampf annehmen und schüren

Wir haben ein Team, das über vier Flügelspieler verfügt, von denen einer der Shootingstar der Saison und absolut gesetzt ist. Serge Gnabry hat bei seinen starken Spielen für Werder, aber auch für die deutsche Olympiaauswahl, bewiesen, dass er über den linken Flügel seine Stärken optimal für die Mannschaft einbringen kann. Ihn auf rechts zu bringen, beraubt ihn und dem Team unverzichtbarer Möglichkeiten, wie seinem Abschluss mit dem starken rechten Fuß. Izet Hajrovics Stärken sind dem - auf niedrigerem Niveau - durchaus ähnlich. Für mich stellt er derzeit unsere beste Alternative für den rechten Flügel dar und ich verstehe nicht, wieso er zuletzt so wenig Berücksichtigung fand.

Ein Erklärungsansatz dafür könnte sein, dass Alexander Nouri nicht auf Zlatko Junuzovic und dessen Laufstärke verzichten wollte. Im 4-2-3-1 ist für ihn im offensiven Zentrum jedoch kein Platz mehr, wenn Kruse und Pizarro wieder fit sind. Nach erneuter schwacher Leistung von Junuzovic auf dem Flügel muss man wohl konstatieren, dass er dort keine Verstärkung für das Team darstellt. Vielmehr sollte er sich in einen Zweikampf um den Platz auf der Zehn mit Max Kruse begeben. Der bessere sollte spielen und dem anderen bliebe dann (zumindest vorerst) nur die Bank.

Einen ähnlichen Zweikampf würde ich mir auch auf anderen Positionen wünschen: Zwischen Bargfrede und Fritz um die Rolle des Zweikämpfers auf der Doppelsechs. Zwischen Grillitsch und Petsos um die Rolle daneben, die dem Spiel eher Ruhe und Struktur verleiht. Und auf der Position des rechten Verteidigers zwischen Theo Gebre Selassie und Robert Bauer. Im Tor tobt dieser Zweikampf ja sowieso schon und dort wird wohl Drobny zurückkehren, sobald er wieder fit ist. Felix Wiedwald konnte seine Rückkehr ins Tor aus meiner Sicht nicht dazu nutzen, wieder die Nummer 1 bei Werder zu werden.

Ich denke und hoffe, dass klare Ansagen, wie auf der heutigen PK, als Alexander Nouri sagte, dass Robert Bauer den Konkurrenzkampf annehmen und Gebre Selassie verdrängen müsse, auch so gemeint sind und keine Lippenbekenntnisse bleiben. Diesen Konkurrenzkampf haben wir durch die Rückkehr der Verletzten nun endlich auf mehreren Positionen und der Trainer muss diesen schüren und moderieren. Konsequenz und Fairness sind dabei das A und O. So erreichen wir die Winterpause hoffentlich mit einem blauen Auge und auf einem Nicht-Abstiegsplatz.

(Auf Aaron Johannsson und seinen wohl aussichtslosen Kampf um einen Platz in dieser Mannschaft möchte ich an dieser Stelle nicht groß eingehen. Warum er hinter Pizarro, Thy und Manneh bei Alexander Nouri nur noch vierte Wahl ist, ist für mich schlicht und einfach nicht nachvollziehbar. Ich gehe stark von einer Trennung im Winter aus. Sehr schade.)

Der Winter naht... doch was kommt dann?

Als Blogger, der meint, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, erlaube ich es mir außerdem noch, ein paar Gedankenspiele über die Winterpause und die Rückrunde anzustellen. Wie nutzen wir die Winterpause am sinnvollsten, um eine möglichst gute Rückrunde zu spielen? In erster Linie müssen in der Winterpause Defizite aufgearbeitet werden, sowohl im konditionellen als auch im taktischen Bereich. Personell bietet Neuzugang Thomas Delaney zudem die Möglichkeit, Kapitän Clemens Fritz auf dieser Position zu verdrängen bzw. mit diesem in den Konkurrenzkampf zu treten*. Ansonsten zählt es zu Frank Baumanns wichtigsten Aufgaben, den Kader drastisch zu verkleinern und Spieler, die unter Nouri keine Einsatzchancen mehr haben (wie Fallou Diagne, Sambou Yatabaré, Aaron Johannsson und eventuell Lukas Fröde und Ulisses Garcia) anderweitig unterzubringen.

(* Vielleicht ein Randaspekt, aber für mich nicht ganz unwichtig: Falls Clemens Fritz ab dem Winter öfter nicht mehr zur Stammelf gehören sollte, wäre es aus meiner Sicht ein wichtiges Signal, wenn ein unumstrittener Stammspieler stattdessen neuer Kapitän würde. Leider haben wir von diesen nicht allzu viele: Bargfrede, Kruse, Pizarro und Gnabry fallen mir ein. Und bei jedem dieser vier fällt mir auch schnell ein Argument ein, warum gerade derjenige nicht Kapitän werden sollte. Deshalb ein vielleicht etwas überraschender Vorschlag: Mit seiner Mischung aus Einstellung, Identifikation mit dem Club und Aussichten auf einen Stammplatz wäre für mich ab dem Winter Santiago Garcia der passende Kapitän für Werder.)

Taktisch würde ich mir wünschen, dass Werder eine Alternative zum 4-2-3-1 und 4-1-4-1 erarbeitet. Dass Nouri es versteht, einer Mannschaft ein System mit Dreierkette zu vermitteln, hat er im letzten Winter mit Werders U23 bewiesen. Mit der Rückkehr von Luca Caldirola wäre geeignetes Personal für eine solche Variante durchaus vorhanden. In der Rückrunde muss zu einer gewissen Stabilität auch taktische Flexibilität hinzukommen, ansonsten werden wir für die meisten Mannschaften zu leicht auszurechnen sein. Unsere individuelle Klasse dürfte nicht ausreichen, einen solchen Nachteil mittelfristig auszugleichen.

Ab Samstag gilt es: Ein Drittel der Saison ist rum und genau jetzt ist der Zeitpunkt, die Grundlagen für den Rest der Saison zu legen. Wir treffen auf die beiden - nicht nur tabellarisch - schwächsten Mannschaften der Bundesliga, die durch Erfolgserlebnisse am letzten Spieltag wieder Morgenluft wittern. Indem wir das beste aus unseren Möglichkeiten machen und die Stärken unseres Kaders auf den Platz bringen, sollten wir dringend zur Euphoriebremse für den HSV und Ingolstadt werden. Dann kann Werder einen nachhaltigen Turnaround schaffen.



Freitag, 29. Juli 2016

Für Sie geguckt: Werder Bremen - Betis Sevilla (29. Juli 2016)

Diese kleine Reihe von Artikeln versteht sich ja als Serviceleistung für alle Werderfans, die sich nicht unbedingt Testspiele in der Sommerpause anschauen möchten, aber am aktuellen Leistungsstand des Teams interessiert sind. Und jedem, der das Spiel gegen Betis Sevilla nicht gesehen hat, kann man zu dieser Entscheidung nur herzlich gratulieren.

Ein Spiel, das keinen Sieger verdient hatte, endete 1-0 für Betis Sevilla. Vor und nach diesem Tor bot das Spiel wenig bis keine Momente, in denen eine der Mannschaften sich mal eine Chance herausspielte. Auch überraschende oder technisch feine Aktionen waren absolute Mangelware. Ständig unterbrochen durch Fouls, Nickligkeiten und Fehlpässe kam zu keiner Zeit Spielfluss auf.

Werder startete wieder im 4-1-4-1. Fröde gab den alleinigen Sechser. Auf den Außen spielten Bartels (links) und Yatabaré (rechts). Den Ball überließ man dem Gegner und presste nur sporadisch. Zumeist griff man erst an, wenn der Gegner schon einige Meter in der Werder-Hälfte stand. Ansonsten bemühte sich Werder, gut zu stehen und zu verschieben. Ein Plan für das Offensivspiel war kaum zu erkennen.

Nach der sehr mauen ersten Halbzeit zog das Tempo in der zweiten Halbzeit zumindest ein wenig an und so kam Werder immerhin zu einer halben Kopfballchance durch Pizarro nach einer Ecke und einem ungefährlichen Distanzschuss durch Fröde. Das Tor für Betis fiel nach einer anständigen Kombination durch die Mitte, bei der die Abstimmung zwischen Diagne und Caldirola nicht optimal war. Passenderweise hätte das Tor aufgrund einer Abseitsposition aber nicht zählen dürfen.

Werder gelang es über die gesamten 90 Minuten nicht, ein flüssiges Kombinationsspiel aufzuziehen oder überhaupt planvoll in die gegnerische Spielhälfte zu gelangen. Dem zentralen Mittelfeld Fröde-Fritz-Junuzovic fehlten dazu Passsicherheit und Kreativität. Defensiv stand Werder gut, wurde von den ebenfalls schwachen Spaniern aber auch kaum vor größere Probleme gestellt.

Ein paar Worte noch zu den Spielern:

Wiedwald: Chancenlos beim Gegentor. Ansonsten wenig geprüft und fehlerlos.

Gebre Selassie: Hinten stabil. Nach vorne schwach.

Caldirola: Aufmerksam. Anfangs etwas zu hart im Zweikampf. Dann souverän.

Moisander: Antizipierte gut, aber auch mit zwei schlimmen Fehlpässen.

Guwara: Okay im Zweikampf. Zu häufig unkonzentriert und mit technischen Unsicherheiten. Offensiv schwach.

Fröde: In der ersten Halbzeit recht präsent im defensiven Mittelfeld. Mit zwei guten langen Bällen auf die Außen. Gab einen der wenigen Torschüsse ab.

Juno: Mit viel Laufarbeit, aber ohne kreative Momente.

Fritz: Ackerte viel. Hatte zu viele Fouls in seinem Spiel und machte das Spiel zu oft langsam.

Yatabaré: Anfangs aktiv und bemüht. Ungenaue Pässe wechselten sich mit Kabinettstücken ab.

Bartels: Bemüht, aber glücklos. Zog oft vom Flügel in die Zentrale.

Pizarro: Mehr als hängende Spitze unterwegs. Versuchte die mangelnde Kreativität des zentralen Mittelfelds so auszugleichen. Wirkte platt und konnte die Bälle zu selten fest machen. Hatte eine Kopfballchance nach einer Ecke.

Diagne (ab der 45. für Moisander): Größtenteils souverän. Beim Gegentor vielleicht etwas unaufmerksam, aber das Tor hätte nicht zählen dürfen

Kainz (ab der 45. für Yatabaré): Nach seiner Einwechslung belebend. Baute dann aber schnell ab. Man sieht, dass er gerne den Doppelpass sucht.

Sternberg (ab der 70. für Guwara): Engagierter Auftritt. Holte kurz vor Schluss mit einer beherzten Offensivaktion einen  Freistoß in gefährlicher Position heraus.

J. Eggestein (ab der 70. für Pizarro): Blass.

Hajrovic (ab der 70. für Bartels): War in ein kleines Scharmützel mit ein paar Spaniern verwickelt.

Petsos (ab der 80. für Fröde): Ohne Wirkung

U. Garcia (ab der 80. für Junuzovic): Mit einem fiesen Fehlpass und einem netten Direktspiel.

M. Eggestein (ab der 80. für Fritz): Hatte keine auffällige Aktion.

Am Mittwoch hatte Viktor Skripnik gegenüber Radio Bremen noch gesagt: "Wir haben noch kein Torschusstraining gemacht, noch keinen Kombinationsfußball trainiert." Das konnte man der Mannschaft, die zudem körperlich einfach erschöpft wirkte, auf jeden Fall anmerken. Aber: Ein Testkick bleibt ein Testkick. Falls die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden, was Taktik, Personal und Fitness angeht, kann sich auch dieses Spiel später noch bezahlt machen.

P.S.: Ob ich auch zum morgigen Spiel gegen Dynamo Dresden etwas schreibe, kann ich jetzt noch nicht sagen. Wer mir bei Twitter folgt, verpasst aber keinen Blog-Eintrag.







Dienstag, 26. Juli 2016

Für Sie geguckt: Werder Bremen - Huddersfield Town (26. Juli 2016)


Welcher Werderfan kennt das nicht: Die werderfreie Zeit zwischen zwei Saisons zieht sich wie Kaugummi und gespannt ist man für jeden Fitzel Information aus den Trainingslagern dankbar, der zur Vorfreude auf die neue Saison beiträgt; oder für Informationen, die zumindest die allerschlimmsten Befürchtungen ein kleines bisschen lindern*. Befürchtungen wie die, dass Werder zwar zwei starke Innenverteidiger abgegeben hat, die neuen Kräfte Diagne und Moisander aber nur bestenfalls quantitativ einen Ersatz für Vestergaard und Djilobodji darstellen. Oder dass nach dem Abgang von Anthony Ujah zwischen Claudio Pizarro und Werders restlichen Stürmern ein derartiger qualitativer Graben klafft, der jeden Werderfan drei Mal täglich für Pizarros Gesundheit und Form beten lässt.

(*Oder man ist einfach mal froh, nichts von Werder zu sehen oder zu hören. Für mich undenkbar.)

Bedingten Aufschluss über Werders aktuelle Leistungsstärke können die diversen Testspiele geben, die auch in dieser Sommerpause wieder anstehen. Heute zum Beispiel gegen den englischen Zweitligisten Huddersfield Town, Heimat der ehemaligen Bundesligaspieler Chris Löwe und Elias Kachunga und trainiert vom früheren Trainer der Dortmunder U23, David Wagner. Da nicht jeder Werderfan sich den Luxus eines Werder TV-Abos leisten kann und/oder möchte und die Berichterstattung in Kreiszeitung und Weser-Kurier über Testspiele häufig recht knapp ausfällt, nutze ich dieses schon recht angestaubte Blog, um meine Eindrücke zu diesem Spiel und zu den einzelnen Spielern festzuhalten. Ein kleiner Service also für diejenigen, die Werders aktueller Leistungsstand zwar interessiert, die sich aber auch schöneres vorstellen können, als sich ein Testspiel gegen einen englischen Zweitligisten in voller Länge und bescheidener Bildqualität anzuschauen… Auf geht’s:

Zum Spiel:

Werder spielte in beiden Halbzeiten jeweils im erprobten 4-1-4-1-System. Bis auf Torwart Drobny, der durchspielte, waren zwei komplett unterschiedliche Mannschaften in den zwei Halbzeiten auf dem Platz.

Halbzeit 1: Drobny - Gebre Selassie - Caldirola - Moisander - Guwara - Fröde - Fritz - Junuzovic - Bartels - Kainz - J. Eggestein

Halbzeit 2: Drobny - Sternberg - Galvez - Diagne - U. Garcia - Petsos - M. Eggestein - Veljkovic - Hajrovic - Lorenzen - Thy

Werder startete engagiert und hatte ein paar gelungene Pressingsituationen. Schnell verflachte das Spiel jedoch und bot bis zur Halbzeit keine Abschlusssituation auf beiden Seiten. Zwar hatte Werder das Spiel im Griff, blieb nach vorne aber komplett ungefährlich. Nur einmal kam Fin Bartels fast zum Abschluss, wurde jedoch kurz vor dem Strafraum gestoppt.

Auch in der zweiten Hälfte war Werder das überlegene Team und kam nun auch zu (sehr spärlichen) Torgelegenheiten. Einen guten Kopfball von Fallou Diagne nach einer Ecke von Hajrovic konnte der englische Torwart parieren. Ebenfalls nach einer Hajrovic-Ecke kam Sternberg zu einem guten Distanzschuss. Zu guter Letzt hatte Thy noch die Chance den weit aus seinem Tor geeilten (und zuvor von Melvyn Lorenzen gefoulten) Torwart von Huddersfield Town zu überwinden, doch sein Aufsetzer aus der Distanz sprang knapp über dasTor. Weitere Highlights? Fehlanzeige. Ein unspektakulärer Test ging unspektkulär zu Ende und endetete dementsprechend 0-0.

Ein paar Eindrücke zu den einzelnen Spielern:

Drobny: Beschäftigungslos.

Gebre Selassie: Aktiv und engagiert, aber auch mit ein paar Ballverlusten und Fehlpässen. Hatte Glück, dass er sich bei Kachungas bösem Foul nicht verletzte.

Caldirola: War bemüht, die Chefrolle auszufüllen. Dabei konzentriert im Zweikampf und im Aufbauspiel.

Moisander: Mit sicherem Passspiel. Musste wenige Zweikämpfe führen. Offenbarte kleinere Schwächen im Kopfballspiel

Guwara: Relativ abgezockt, aber mit wenigen Aktionen nach vorn. Einmal aber doch mit nettem Doppelpass mit Kainz.

Fröde: Unter Druck mit schwacher Technik bei der Ballannahme. Im Zweikampf aber engagiert und auch clever. Versuchte auch mal lange Bälle auf die Außen zu spielen, was mal mehr und mal weniger gut klappte.

Fritz: Sehr engagiert. Sicherte die Bälle gut im Mittelfeld.

Junuzovic: Anfangs mit guten Pressingszenen als er die gegnierische Abwehr im hohen Tempo anlief. Wurde dann aber schnell unscheinbarer im Spiel.

Bartels: Überall in der Offensive zu finden, jedoch ohne Effektivität.

Kainz: Gute Ansätze, aber noch ohne gefährliche Szenen. Ordentliche Standards. (Vielleicht sollte man bei den Standards verstärkt auf kurze Varianten setzen, da die Mannschaft über wenige gute Kopfballspieler verfügt.)

J. Eggestein: Interessant, ihn gegen Gegenspieler im Seniorenbereich zu sehen. Bisher noch ohne Durchschlagskraft.

Sternberg: Auf ungewohnter Position als Rechtsverteidiger in Ordnung und mit einem guten Abschluss nach einer Ecke.

Galvez: Souveränes Stellungsspiel. Nicht so (nach-)lässig wie zuletzt.

Diagne: Gut im Zweikampf. Defensiv und offensiv vielleicht Werders bester Kopfballspieler im Kader.

U. Garcia: Schwach in der Ballverarbeitung und im Passspiel. Im Zweikampf nicht gefordert.

Petsos: Schöne, enge Ballführung. Immer bemüht, den Ball in die Schnittstellen in der Offensive zu spielen und auch mal den Doppelpass zu suchen. Könnte durchaus ein Startelfkandidat sein.

Veljkovic: Wenig zu sehen.

M. Eggestein: Sehr wenig zu sehen.

Lorenzen: Kaum gelungene Aktionen.

Hajrovic: Fiel vor allem durch gute Standards auf, von denen zwei zu den Chancen von Diagne und Sternberg führten.

Thy: Konnte den Ball etwas besser behaupten als Johannes Eggestein in der ersten Halbzeit und hatte mit einem Distanzschuss Pech, dass dieser knapp über das Tor ging.

Am Freitag steht Werders nächstes Testspiel gegen Betis Sevilla im Rahmen des "Dresden Cups" an. Falls es meine Zeit erlaubt, werde ich hier wieder ein paar Worte dazu posten.

Samstag, 13. Februar 2016

Zurück im Abstiegskampf-Alltag

Vor dem DFB-Pokal-Viertelfinale hieß es in der Kreiszeitung "Mal kurz raus aus dem Abstiegskampf-Alltag". Der 3:1-Sieg gegen Bayer Leverkusen war dann auch wie ein kleiner Kurzurlaub unter der Woche und Balsam für die Seele der Mannschaft, der Verantwortlichen und auch der Fans nach der Klatsche gegen Mönchengladbach.

Doch der Alltag kehrt heute mit voller Wucht zurück. Gegner im Weserstadion ist Tabellennachbar 1899 Hoffenheim, der vor zwei Tagen mit Julian Nagelsmann bereits seinen dritten Trainer in dieser Saison installiert hat. Grund dafür waren Huub Stevens' gesundheitliche Probleme und so darf sich Nagelsmann bereits früher als erwartet im Profifußball unter Beweis stellen.

Wer ist der Neue?

Der junge Mann, der gleichzeitig aber kein junger Trainer mehr sei (so Hoffenheims Sportdirektor Alexander Rosen), gilt als außergwöhnliches Trainertalent in der Tradition eines Ralf Rangnick. Der aufschlussreiche Spiegel-Artikel von Danial Montazeri "Ist jung, kann Chaos" zeigt auf, dass es Nagelsmann in seiner bisherigen Karriere als Cheftrainer der Hoffenheimer U19 gelang, die Mannschaft ebenjenen blitzartigen Umschaltfußball spielen zu lassen, den Rangnick in die Bundesliga trug. Auch das konsequente Gegenpressing, für das Trainer wie Klopp oder Roger Schmidt stehen, habe er der Hoffenheimer U19 eingeimpft, wie es im Spiegel-Artikel heißt:

"Beeindruckend ist auch, wie intensiv die Mannschaft nach Ballverlusten auf Abwehr umschaltet. Gerade in diesen Bereichen sind viele Jugendspieler oft nachlässig. Das zeugt von Nagelsmanns hoher Überzeugungskraft." 

Nagelsmann setze bei eigenen Angriffen vor allem auf Überladungen, also dass viele Spieler auf engem Raum versammelt sind, um schnell nach vorn kombinieren zu können und gleichzeitig schnell ins Gegenpressing kommen zu können, falls der Ball verloren wird.  Die Frage für Werder ist nun: Wie viel von seiner Spielphilosophie kann Nagelsmann nach zwei Tagen Training schon gegen Werder auf den Platz bringen?

Viktor knows

Viktor Skripnik sagte auf der Pressekonferenz vor dem Hoffenheimspiel, dass er ungefähr wisse, wie Julian Nagelsmann spielen lässt. Ein Grinsen umspielte dabei seine Mundwinkel. Dennoch sollte es meiner Meinung nach nicht Werders vorderstes Anliegen sein, sich in einem Heimspiel gegen den 17. der Tabelle komplett auf den Gegner einzustellen. Aber eine gewisse Anpassung findet natürlich statt bzw. werden den Spielern bestimmte Punkte mit auf den Weg gegeben, auf die sie bei diesem Gegner ganz besonders achten sollten.

Gegen Hoffenheim im 4-2-2-1-1

Gegen Hoffenheim ist eine Rückkehr zur Raute, die zwar in der Winterpause eingeübt wurde, seitdem aber nie von Anfang an zum Einsatz kam, aus meiner Sicht nicht zu erwarten. Um sich Hoffenheimer Überladung zu erwehren ist ein eher breites Spielsystem das Mittel der Wahl, wie wir es bereits im 4-4-2 oder auch 4-1-4-1 in dieser Rückrunde praktiziert haben. Um aber gleichzeitig genug eigenen Druck entwickeln zu können, der in einem Heimspiel gegen den Vorletzten zweifellos dringend benötigt wird, würde ich Werder in einem 4-2-2-1-1 auflaufen lassen.

Entscheidend in dieser Formation ist die Besetzung der Doppelsechs. Meiner Meinung nach hat das Spiel gegen Mönchengladbach gezeigt, dass das Duo Junuzovic/Fritz es nicht versteht, Werder defensive Stabilität zu verleihen. Jannik Vestergaard hingegen überzeugte gegen Leverkusen als kopfball- und zweikampfstarker Sechser und wäre in Abwesenheit von Bargfrede und Yatabaré die sinnvollste Lösung neben Clemens Fritz auf der Doppelsechs. Die Viererkette würde dementsprechend wieder genauso auflaufen wie gegen Leverkusen (S. Garcia, Djilobodji, Galvez, Gebre Selassie).

Auf den Flügeln hat sich Levin Öztunali in der Rückrunde fast unverzichtbar gemacht. Seine Schnelligkeit und Robustheit auf den Außen ermöglichen es Werder immer wieder, über rechts durchzubrechen und gefährliche Situationen heraufzubeschwören. Dass Öztunali auch Fortschritte in Sachen Übersicht und Effektivität macht, hilft der Mannschaft und macht ihn immer wichtiger. Auf der linken Seite würde ich auf Florian Grillitsch setzen. Auch er ist in starker Verfassung und bringt vor allem dringend benötigte Spielintelligenz mit ins Team. Gerade auf der Doppelsechs fehlt jemand, der mal einen überraschenden, präzisen Pass spielt oder der den Doppelpass sucht. Grillitsch brint diese Elemente ins Bremer Spiel, auch wenn er zentral hinter den Spitzen vielleicht noch etwas passender eingesetzt wäre.


Die Position der hängenden Spitze werden sich jedoch Anthony Ujah und Claudio Pizarro teilen. Ujahs Kopfballstärke, seine Laufleistung im Pressing und seine Schnelligkeit machen ihn zum idealen Sturmpartner für Claudio Pizarro, der sich auf den Torabschluss und das Verteilen von Bällen konzentrieren kann. Die vorderste Position im Sturm werden sich die beiden Torjäger ebenso teilen.

Vorerst kein Platz wäre in meiner Aufstellung für Zlatko Junuzovic. Dies hat in erster Linie taktische Gründe, da das aufgezeigte 4-2-2-1-1 keine Achterposition beinhaltet, auf der ich Junuzovic am stärksten sehe. Leider sind auch Junos Standards derzeit nicht so stark, dass man ihn allein deswegen einbauen müsste.

Wichtiger als Formation und Personal wird gegen Hoffenheim aber - Vorsicht Phrase! - die Einstellung Werders sein. Werder hat die Chance acht Punkte zwischen sich und Hoffenheim (und wohl auch zwischen sich und Hannover, die gegen den BVB spielen) zu bringen. Andererseits würde man mit einer Niederlage den direkten Abstiegsplätzen wieder gefährlich nah kommen. Eine kontrollierte Offensive dürfte gegen Hoffenheim der erfolgversprechendste Ansatz sein. Bei fortschreitender Spieldauer wird Hoffenheim das Risiko erhöhen müssen, um drei Punkte einzufahren. Genau das könnte Werder in die Karten spielen. Forza SVW!

Donnerstag, 11. September 2014

Schnelligkeit Is The New Black

"Wenn Leverkusen Schwächen hat, dann werden meine Jungs diese Schwächen finden." (Robin Dutt)

Zwei Wochen Bundesligapause können sehr lang werden. Die Länderspiele in den letzten zwei Wochen waren nur ein schwacher Trost und deshalb fängt die Bundesliga erst jetzt so richtig an. Bisher ist ja auch noch nicht so viel passiert: Werder hat zwei gute und zwei schlechte Halbzeiten gespielt. Mit zwei Punkten ist man weder gut noch schlecht in die die Saison gestartet und nun kommt mit den derzeit überaus starken Leverkusenern ein Gegner, der Werder vermutlich alles abverlangen wird. Und nicht nur wegen der zweiwöchigen Pause bin ich wirklich heiß auf dieses Spiel. Vor allem bin ich gespannt darauf zu sehen, ob Werder im Vergleich zur letzten Saison einen Schritt nach vorne gemacht hat oder nicht. Können wir mit einer der vier besten Mannschaften der Liga mithalten - vielleicht sogar Punkte holen - oder nicht? Greifen jetzt Automatismen, mit denen auch ein individuell um einiges stärker besetzter Gegner vor Probleme gestellt werden kann? Oder gibt es wieder Abreibungen wie so häufig in der letzten Saison, wenn es gegen die Spitzenmannschaften ging? Ich traue Werder im allerbesten Fall tatsächlich eine Überraschung in Leverkusen zu.

Schnelligkeit is the new black

Bei der heutigen Werder-PK fiel mir eines auf: Robin Dutt wollte ein Thema forcieren. Und zwar, dass Werder eine sehr, sehr schnelle Mannschaft ist, mit "acht bis neun schnellen oder sehr schnellen Spielern". Mehrmals wies Dutt auf diesen Umstand hin. Mal davon abgesehen, dass ich beim Zählen ziemliche Mühe habe, auf neun überdurchschnittlich schnelle Spieler in Werders erster Elf zu kommen, möchte ich auf etwas anderes hinaus: Die bewusste Themensetzung scheint mir bei Dutt (im Zusammenspiel mit Thomas Eichin) Methode zu haben. Extrem war es beispielsweise nach der Rückrunden-Niederlage in der letzten Saison gegen Augsburg. Die "Wettkampfmentalität" habe bei Werder nicht gestimmt. Dies wurde fast gebetsmühlenartig von Dutt wiederholt, fast immer aber auch mit dem Zusatz, dass dieses eine Spiel gegen Augsburg ein Ausreißer war. Denn eigentlich ist die Mentalität die große Stärke dieses Teams, worauf der Trainer immer wieder hinweist.

Weitere Beispiele für das Beschwören einer eigenen Stärke waren die Hinweise auf den Teamgeist in der Sommerpause, die Fitness nach den ersten Spielen nach der Sommerpause und auch der Zusammenhalt zwischen Team und Fans. Die andauernde Wiederholung positiver Eigenschaften des Teams scheint eine klare Strategie des Trainers zu sein und wenn die Mannschaft immer mehr Glauben in die eigenen Fähigkeiten erlangt - dies vielleicht sogar zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wird - kann sich ja eventuell eine positive Eigendynamik entwickeln. So jedenfalls meine Hoffnung.

Hände hoch, das ist ein Überfall!

Und etwas Hoffnung werden wir gegen Leverkusen auf jeden Fall brauchen. Das Team hat bisher fast restlos überzeugt und setzt die Vorgaben des neuen Trainers auf dem Platz schon bemerkenswert gut um. Den bisherigen Gegnern fiel gegen das Roger-Schmidt-Leverkusen noch nicht besonders viel ein und besonders der BVB wurde von der neuen Spielweise mit hohem Pressing, extremem Verschieben und schnellem Umschaltspiel überrumpelt. Gerade da könnte Werder auch die Länderspielpause entgegen kommen, denn man hatte zumindest genug Zeit, Leverkusen (und vielleicht auch Red Bull Salzburg) unter Roger Schmidt zu anaylsieren.

Aber welche Schlüsse sollte Werder aus diesen Analysen ziehen? Julian Brandt bekannte in dieser Woche, dass es für Leverkusen eigentlich besser sei, wenn sie nicht den Ball hätten. Durch das hohe Gegenpressing erobere man den Ball häufig so weit in der gegnerischen Hälfte, dass man sofort Chancen kreieren könne. Für Werder ergeben sich daraus für mich zwei Alternativen: Entweder man setzt auf lange Bälle aus der Abwehr heraus, um die Ballverluste in der eigenen Hälfte zu minimieren, oder man setzt in der Abwehr und im Mittelfeld auf die ballsichersten Spieler, denen selten Ballverluste unterlaufen. Angesichts der letzten Spiele tippe ich auf erstere Variante und denke, dass die Mannschaftsaufstellung im Gegensatz zu Hoffenheim kaum variieren wird. Entscheidet sich Dutt für die zweite Herangehensweise, könnte ich mir vorstellen, dass Caldirola wieder für Lukimya in die Viererkette rückt und statt Selke ein offensiver Mittelfeldspieler aufläuft. Bei Izet Hajrovic muss man noch abwarten, wie er die späte Anreise nach seinem Länderspieleinsatz verkraftet*. Für ihn würde entweder Fin Bartels oder Marnon Busch in die erste Elf rücken.

(* Sicherlich besser als Cedric Makiadi.)

Tipp

Ich denke schon, dass Werder eine Chance gegen Leverkusen hat, aber dennoch halte ich die Leverkusener für individuell um einiges stärker und Werder muss erst noch beweisen, dass sie mit einem solchen Klassegegner mithalten können. Ich tippe deshalb auf ein 2:0 für Leverkusen, auch wenn ich mir natürlich einen Sieg wünsche würde, wenn ich schon mal live vor Ort bin.

Dienstag, 2. September 2014

Von Schnäppchen- und Torjägern

„Wenn Sie mit 2000 Euro oder mit 150 Euro in die Stadt gehen und Klamotten kaufen wollen, dann müssen Sie mit 150 Euro hinterher nicht unbedingt schlechter aussehen. Aber dafür müssen Sie einen Pullover vielleicht fünfmal anprobieren und nach Schnäppchen suchen.“ (Thomas Eichin)

Den Ausführungen unseres Geschäftsführers Sport ist wohl nur noch wenig hinzuzufügen. Werder hat seinen Fans am letzten Tag des geöffneten Transferfensters keine aufregenden Last-Minute-Schnäppchen mehr beschert und auch der franko-polnische Ladenhüter der letzten Saison muss wohl noch ein wenig im Schaufenster bleiben. Uff... Nach diesem Metaphern-Overkill direkt rein ins Spiel gegen Hoffenheim.

Vor dem Spiel

Zwei meiner Fragen aus diesem Blogpost beantwortete Robin Dutt einigermaßen überraschend: Zum einen rückte Sebastian Prödl nicht - wie von mir vermutet - für Assani Lumkiya zurück in die Mannschaft, sondern für Luca Caldirola. Caldirola hatte in dieser Saison zwar noch keine gravierenden Aussetzer, schaffte es aber auch noch nicht, positiv aufzufallen und so gab Lukimyas starke Form den Ausschlag zu seinen Gunsten. Im Sturm lief Davie Selke von Beginn an auf und war auch von Beginn an wieder mit all seinem Engagement und seiner Aggressivität im Spiel. In einem 4-4-2 mit der Doppel-Sechs Galvez/Junuzovic wollte Dutt es gegen die stark gestarteten Hoffenheimer versuchen.

Das Spiel

Werder ging ziemlich abwartend in das Spiel und hatte das Hoffenheimer Pressing einigermaßen im Griff. Auf beiden Seiten ergaben sich eher halbgare Chancen. Dann aber ließ Werder in der 19. Minute Sebastian Rudy im Mittelfeld viel zu viel Zeit für seine schöne Flanke auf Roberto Firmino. Dieser wurde von Izet Hajrovic nur halbherzig begleitet und konnte nach starker Ballannahme am unentschlossen herauskommenden Raphael Wolf technisch anspruchsvoll zum 1-0 einschieben. Eine Fehlerkette, die aus Galvez (der Rudy zu viel Platz zum Flanken ließ), Fritz (der zu weit nach innen einrückte), Hajrovic und Wolf bestand, führte zu einem ärgerlichen Rückstand.

Werder brauchte etwas Zeit, um sich zu erholen, tappte aber nicht in die Falle, schon zu früh zu viel zu riskieren und damit die Hoffenheimer zu Kontern einzuladen. So entstand Werders größte Chance mal wieder durch einen (wie immer) mit Schnitt zum Tor getretenen Freistoß, den Alex Galvez gut mit dem Kopf erwischte. Oliver Baumann parierte aber leider stark.

In der Pause wurde auf Bremer Seite nicht gewechselt, aber durch die verletzungsbedingte Herausnahme des Hoffenheimer Rechtsverteidigers Strobl ergaben sich für Werder gegen Strobls Ersatzmann Abraham nun mehr Möglichkeiten. Kurz vor dem Ausgleich war schon zu spüren, dass Werder immer mehr Zugriff auf das Spiel bekam. Hierbei fiel mir auf, dass vor allem die beiden Innenverteidiger von Werder nun viel konsequenter schon im Mittelfeld versuchten, Bälle zu gewinnen. Das Tor fiel dann über Werders linke Angriffsseite, auf die Franco di Santo auswich und von dort eine Flanke auf den aufgerückten Alex Galvez schlug, der sein gutes Startelfdebüt mit einem Klassetor verzierte.

Direkt nach Wiederanpfiff kassierte Galvez eine gelbe Karte wegen Foulspiels. Für mich ein Zeichen, dass die Mannschaft sich auch im Moment des Erfolgs die nötige Aggressivität bewahren wollte und so ging es nach dem Ausgleich fast nur noch in Richtung Hoffenheimer Tor. Ordentlich Schwung brachte Fin Bartels, der nach einer Stunde für Hajrovic kam. Auch Nils Petersen, der für den stark gelb-rot-gefährdeten Selke* kam, war eine Belebung.

* (Leider gefiel Schiedsrichter Robert Hartmanns Selkes angesprochene Spielweise nur bedingt. Die frühe gelbe Karte (3. Minute) war für Selke zwar nicht unbedingt Gift, machte das Spiel aber für alle Beteiligten noch auf einer zweiten Ebene spannend: Fliegt Selke mit Gelb-Rot vom Platz oder nimmt Dutt ihn rechtzeitig runter? Auch ansonsten war der Schiedsrichter für mich ein ziemliches Ärgernis, der tendenziell gegen die Heimmannschaft zu pfeifen schien bzw. Werder für gleiche Vergehen härter bestrafte als die Hoffenheimer.)

Werder war Hoffenheim in den letzten 30 Minuten überlegen, doch bei jeder der vielen Chancen fehlte das letzte Quäntchen Glück. Die dickste Chance vergab di Santo, der wieder ein hervorragendes Spiel machte und dessen Formkurve steil nach oben zeigt. Petersen hatte hingegen eine Reihe von guten, aber nicht 100-prozentigen Chancen. Mit Glück geht eine davon rein, aber dieses Glück muss sich Petersen wohl erst wieder erarbeiten. Letztlich blieb es bei einem 1-1, mit dem ich vor dem Spiel zufrieden gewesen wäre. Jetzt bin ich zufrieden, weil ich ein Werder gesehen habe, das ich schon fast vergessen hatte.

Das Werder-Barometer

Es geht voran. In der ersten Halbzeit waren wir nicht so brutal unterlegen wie gegen die Hertha und in der zweiten Halbzeit haben wir Hoffenheim fast beherrscht. Auch die drängendsten Personalfragen sind fürs Erste geklärt und es kann sich wieder auf den Sport konzentriert werden. Eigentlich würde mein Barometer ein bisschen klettern, aber für ein 7/10 reicht es noch nicht ganz, es muss ja noch Luft nach oben bleiben: 6/10.

Fragestunde
  • Unterbricht die Länderspielpause Werders Aufwärtstrend?
  • Wer kassiert Werders ersten Platzverweis in dieser Saison? Davie Selke oder Santiago Garcia?
  • Ist in diesem Team noch ein Platz für Ludovic Obraniak?