Donnerstag, 11. September 2014

Schnelligkeit Is The New Black

"Wenn Leverkusen Schwächen hat, dann werden meine Jungs diese Schwächen finden." (Robin Dutt)

Zwei Wochen Bundesligapause können sehr lang werden. Die Länderspiele in den letzten zwei Wochen waren nur ein schwacher Trost und deshalb fängt die Bundesliga erst jetzt so richtig an. Bisher ist ja auch noch nicht so viel passiert: Werder hat zwei gute und zwei schlechte Halbzeiten gespielt. Mit zwei Punkten ist man weder gut noch schlecht in die die Saison gestartet und nun kommt mit den derzeit überaus starken Leverkusenern ein Gegner, der Werder vermutlich alles abverlangen wird. Und nicht nur wegen der zweiwöchigen Pause bin ich wirklich heiß auf dieses Spiel. Vor allem bin ich gespannt darauf zu sehen, ob Werder im Vergleich zur letzten Saison einen Schritt nach vorne gemacht hat oder nicht. Können wir mit einer der vier besten Mannschaften der Liga mithalten - vielleicht sogar Punkte holen - oder nicht? Greifen jetzt Automatismen, mit denen auch ein individuell um einiges stärker besetzter Gegner vor Probleme gestellt werden kann? Oder gibt es wieder Abreibungen wie so häufig in der letzten Saison, wenn es gegen die Spitzenmannschaften ging? Ich traue Werder im allerbesten Fall tatsächlich eine Überraschung in Leverkusen zu.

Schnelligkeit is the new black

Bei der heutigen Werder-PK fiel mir eines auf: Robin Dutt wollte ein Thema forcieren. Und zwar, dass Werder eine sehr, sehr schnelle Mannschaft ist, mit "acht bis neun schnellen oder sehr schnellen Spielern". Mehrmals wies Dutt auf diesen Umstand hin. Mal davon abgesehen, dass ich beim Zählen ziemliche Mühe habe, auf neun überdurchschnittlich schnelle Spieler in Werders erster Elf zu kommen, möchte ich auf etwas anderes hinaus: Die bewusste Themensetzung scheint mir bei Dutt (im Zusammenspiel mit Thomas Eichin) Methode zu haben. Extrem war es beispielsweise nach der Rückrunden-Niederlage in der letzten Saison gegen Augsburg. Die "Wettkampfmentalität" habe bei Werder nicht gestimmt. Dies wurde fast gebetsmühlenartig von Dutt wiederholt, fast immer aber auch mit dem Zusatz, dass dieses eine Spiel gegen Augsburg ein Ausreißer war. Denn eigentlich ist die Mentalität die große Stärke dieses Teams, worauf der Trainer immer wieder hinweist.

Weitere Beispiele für das Beschwören einer eigenen Stärke waren die Hinweise auf den Teamgeist in der Sommerpause, die Fitness nach den ersten Spielen nach der Sommerpause und auch der Zusammenhalt zwischen Team und Fans. Die andauernde Wiederholung positiver Eigenschaften des Teams scheint eine klare Strategie des Trainers zu sein und wenn die Mannschaft immer mehr Glauben in die eigenen Fähigkeiten erlangt - dies vielleicht sogar zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wird - kann sich ja eventuell eine positive Eigendynamik entwickeln. So jedenfalls meine Hoffnung.

Hände hoch, das ist ein Überfall!

Und etwas Hoffnung werden wir gegen Leverkusen auf jeden Fall brauchen. Das Team hat bisher fast restlos überzeugt und setzt die Vorgaben des neuen Trainers auf dem Platz schon bemerkenswert gut um. Den bisherigen Gegnern fiel gegen das Roger-Schmidt-Leverkusen noch nicht besonders viel ein und besonders der BVB wurde von der neuen Spielweise mit hohem Pressing, extremem Verschieben und schnellem Umschaltspiel überrumpelt. Gerade da könnte Werder auch die Länderspielpause entgegen kommen, denn man hatte zumindest genug Zeit, Leverkusen (und vielleicht auch Red Bull Salzburg) unter Roger Schmidt zu anaylsieren.

Aber welche Schlüsse sollte Werder aus diesen Analysen ziehen? Julian Brandt bekannte in dieser Woche, dass es für Leverkusen eigentlich besser sei, wenn sie nicht den Ball hätten. Durch das hohe Gegenpressing erobere man den Ball häufig so weit in der gegnerischen Hälfte, dass man sofort Chancen kreieren könne. Für Werder ergeben sich daraus für mich zwei Alternativen: Entweder man setzt auf lange Bälle aus der Abwehr heraus, um die Ballverluste in der eigenen Hälfte zu minimieren, oder man setzt in der Abwehr und im Mittelfeld auf die ballsichersten Spieler, denen selten Ballverluste unterlaufen. Angesichts der letzten Spiele tippe ich auf erstere Variante und denke, dass die Mannschaftsaufstellung im Gegensatz zu Hoffenheim kaum variieren wird. Entscheidet sich Dutt für die zweite Herangehensweise, könnte ich mir vorstellen, dass Caldirola wieder für Lukimya in die Viererkette rückt und statt Selke ein offensiver Mittelfeldspieler aufläuft. Bei Izet Hajrovic muss man noch abwarten, wie er die späte Anreise nach seinem Länderspieleinsatz verkraftet*. Für ihn würde entweder Fin Bartels oder Marnon Busch in die erste Elf rücken.

(* Sicherlich besser als Cedric Makiadi.)

Tipp

Ich denke schon, dass Werder eine Chance gegen Leverkusen hat, aber dennoch halte ich die Leverkusener für individuell um einiges stärker und Werder muss erst noch beweisen, dass sie mit einem solchen Klassegegner mithalten können. Ich tippe deshalb auf ein 2:0 für Leverkusen, auch wenn ich mir natürlich einen Sieg wünsche würde, wenn ich schon mal live vor Ort bin.

Dienstag, 2. September 2014

Von Schnäppchen- und Torjägern

„Wenn Sie mit 2000 Euro oder mit 150 Euro in die Stadt gehen und Klamotten kaufen wollen, dann müssen Sie mit 150 Euro hinterher nicht unbedingt schlechter aussehen. Aber dafür müssen Sie einen Pullover vielleicht fünfmal anprobieren und nach Schnäppchen suchen.“ (Thomas Eichin)

Den Ausführungen unseres Geschäftsführers Sport ist wohl nur noch wenig hinzuzufügen. Werder hat seinen Fans am letzten Tag des geöffneten Transferfensters keine aufregenden Last-Minute-Schnäppchen mehr beschert und auch der franko-polnische Ladenhüter der letzten Saison muss wohl noch ein wenig im Schaufenster bleiben. Uff... Nach diesem Metaphern-Overkill direkt rein ins Spiel gegen Hoffenheim.

Vor dem Spiel

Zwei meiner Fragen aus diesem Blogpost beantwortete Robin Dutt einigermaßen überraschend: Zum einen rückte Sebastian Prödl nicht - wie von mir vermutet - für Assani Lumkiya zurück in die Mannschaft, sondern für Luca Caldirola. Caldirola hatte in dieser Saison zwar noch keine gravierenden Aussetzer, schaffte es aber auch noch nicht, positiv aufzufallen und so gab Lukimyas starke Form den Ausschlag zu seinen Gunsten. Im Sturm lief Davie Selke von Beginn an auf und war auch von Beginn an wieder mit all seinem Engagement und seiner Aggressivität im Spiel. In einem 4-4-2 mit der Doppel-Sechs Galvez/Junuzovic wollte Dutt es gegen die stark gestarteten Hoffenheimer versuchen.

Das Spiel

Werder ging ziemlich abwartend in das Spiel und hatte das Hoffenheimer Pressing einigermaßen im Griff. Auf beiden Seiten ergaben sich eher halbgare Chancen. Dann aber ließ Werder in der 19. Minute Sebastian Rudy im Mittelfeld viel zu viel Zeit für seine schöne Flanke auf Roberto Firmino. Dieser wurde von Izet Hajrovic nur halbherzig begleitet und konnte nach starker Ballannahme am unentschlossen herauskommenden Raphael Wolf technisch anspruchsvoll zum 1-0 einschieben. Eine Fehlerkette, die aus Galvez (der Rudy zu viel Platz zum Flanken ließ), Fritz (der zu weit nach innen einrückte), Hajrovic und Wolf bestand, führte zu einem ärgerlichen Rückstand.

Werder brauchte etwas Zeit, um sich zu erholen, tappte aber nicht in die Falle, schon zu früh zu viel zu riskieren und damit die Hoffenheimer zu Kontern einzuladen. So entstand Werders größte Chance mal wieder durch einen (wie immer) mit Schnitt zum Tor getretenen Freistoß, den Alex Galvez gut mit dem Kopf erwischte. Oliver Baumann parierte aber leider stark.

In der Pause wurde auf Bremer Seite nicht gewechselt, aber durch die verletzungsbedingte Herausnahme des Hoffenheimer Rechtsverteidigers Strobl ergaben sich für Werder gegen Strobls Ersatzmann Abraham nun mehr Möglichkeiten. Kurz vor dem Ausgleich war schon zu spüren, dass Werder immer mehr Zugriff auf das Spiel bekam. Hierbei fiel mir auf, dass vor allem die beiden Innenverteidiger von Werder nun viel konsequenter schon im Mittelfeld versuchten, Bälle zu gewinnen. Das Tor fiel dann über Werders linke Angriffsseite, auf die Franco di Santo auswich und von dort eine Flanke auf den aufgerückten Alex Galvez schlug, der sein gutes Startelfdebüt mit einem Klassetor verzierte.

Direkt nach Wiederanpfiff kassierte Galvez eine gelbe Karte wegen Foulspiels. Für mich ein Zeichen, dass die Mannschaft sich auch im Moment des Erfolgs die nötige Aggressivität bewahren wollte und so ging es nach dem Ausgleich fast nur noch in Richtung Hoffenheimer Tor. Ordentlich Schwung brachte Fin Bartels, der nach einer Stunde für Hajrovic kam. Auch Nils Petersen, der für den stark gelb-rot-gefährdeten Selke* kam, war eine Belebung.

* (Leider gefiel Schiedsrichter Robert Hartmanns Selkes angesprochene Spielweise nur bedingt. Die frühe gelbe Karte (3. Minute) war für Selke zwar nicht unbedingt Gift, machte das Spiel aber für alle Beteiligten noch auf einer zweiten Ebene spannend: Fliegt Selke mit Gelb-Rot vom Platz oder nimmt Dutt ihn rechtzeitig runter? Auch ansonsten war der Schiedsrichter für mich ein ziemliches Ärgernis, der tendenziell gegen die Heimmannschaft zu pfeifen schien bzw. Werder für gleiche Vergehen härter bestrafte als die Hoffenheimer.)

Werder war Hoffenheim in den letzten 30 Minuten überlegen, doch bei jeder der vielen Chancen fehlte das letzte Quäntchen Glück. Die dickste Chance vergab di Santo, der wieder ein hervorragendes Spiel machte und dessen Formkurve steil nach oben zeigt. Petersen hatte hingegen eine Reihe von guten, aber nicht 100-prozentigen Chancen. Mit Glück geht eine davon rein, aber dieses Glück muss sich Petersen wohl erst wieder erarbeiten. Letztlich blieb es bei einem 1-1, mit dem ich vor dem Spiel zufrieden gewesen wäre. Jetzt bin ich zufrieden, weil ich ein Werder gesehen habe, das ich schon fast vergessen hatte.

Das Werder-Barometer

Es geht voran. In der ersten Halbzeit waren wir nicht so brutal unterlegen wie gegen die Hertha und in der zweiten Halbzeit haben wir Hoffenheim fast beherrscht. Auch die drängendsten Personalfragen sind fürs Erste geklärt und es kann sich wieder auf den Sport konzentriert werden. Eigentlich würde mein Barometer ein bisschen klettern, aber für ein 7/10 reicht es noch nicht ganz, es muss ja noch Luft nach oben bleiben: 6/10.

Fragestunde
  • Unterbricht die Länderspielpause Werders Aufwärtstrend?
  • Wer kassiert Werders ersten Platzverweis in dieser Saison? Davie Selke oder Santiago Garcia?
  • Ist in diesem Team noch ein Platz für Ludovic Obraniak?